Wiesbadener Kurier vom 12. September 2013

Immer noch ansehnlich: einer der ersten Wohnblocks in Klarenthal. Foto: privat

Vorort - die Beilage zum Wiesbadener Kurier, 12.09.2013

Die Mitglieder des Arbeitkreises "Virtuelles Stadtteilmuseum" freuen sich auf ein besonderes Projekt: die Erstellung einer Broschüre über 50 Jahre Siedlung Klarenthal. Zum Arbeitskrei gehören: Harald Bode, Werner Dräger, Dr. Rolf Faber, Annemone Goerlich, Robert Grohmann, Werner Lübs, Götz Ostendorff, Heinz Raab, Michael Seckmeyer, Elise Traute, Ingbert Marx.

Eine Siedlung feiert 50. Geburtstag

Arbeitskreis „Virtuelles Heimatmuseum" erinnert mit Broschüre an die Entwicklungen in den vergangenen fünf Jahrzehnten

Von Anja Baumgart-Pietsch

KLARENTHAL

Um nach dem Zweiten Weltkrieg Wolinraum zu schaffen, ist 1964 mit dem Bau der Siedlung Klarenthal begonnen worden. Anfänglich gab es noch nicht einmal Straßennamen. Die Leute wohnten zum Beispiel in „Straße E, Block 6, Haus 2". Über „50 Jahre Siedlung Klarenthal" will der Arbeitskreis „Virtuelles Heimatmuseum" in einer Broschüre informieren.

Seit einigen Jahren sorgt der Arbeitskreis „Virtuelles Heimatmuseum Klarenthal" dafür, dass die Geschichte des Stadtteils aufgearbeitet wird. Nun steht ein besonderes Projekt an, denn 2014 wird Klarenthal 50 Jahre

alt. Oder besser, die Siedlung Klarenthal - denn der Ort selbst ist viel älter, geht auf das Kloster Klarenthal zurück, dessen erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1298 bezeugt ist.

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Wiesbaden ein großes Wohnungsdefizit. Die Zerstörungen und Beschädigungen waren hier geringer als in anderen Städten, und daher fühlten sich viele von Wiesbaden angezogen, weshalb die Bevölkerungszahl in erheblichem Maße wuchs.

Ziel der kommunalen Wohnungspolitik musste es deshalb sein, in möglichst kurzer Zeit angemessenen Wohnraum für alle Wohnungssuchenden zu schaffen. Das führte bekanntlich dazu, dass nach einem „Generalplan" Gebiete ausgewiesen wurden, die für die Errichtung von neuen Wohnsiedlungen geeignet

waren. Aufgrund dieses Generalplanes bestimmte der Magistrat 1960, dass im Biebricher Parkfeld, am Dotzheimer Schelmengraben und in Klarenthal drei Großsiedlungen geplant werden sollten.

Polizei musste kommen

Warum gerade in Klarenthal?

Hier waren die Bedingungen für den Erwerb der notwendigen Grundstücksflächen besonders günstig. Das Gelände gehörte überwiegend einem Eigentümer, dem Nassauischen Zentralstudienfonds. Darüber hinaus konnte hier durch die Bebauung kein wertvolles landwirtschaftliches Gelände verloren gehen. Als Träger für das Vorhaben waren die Nassauische Heimstätte und die Stadt selbst über ihre gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften vorgesehen.

Bereits am 13. Oktober 1960 lag die Magistratsentschließung der Stadtverordnetenversammlung vor, und diese fasste den Beschluss, einen Bebauungsplan aufstellen zu lassen. Darin waren alle wichtigen

Vorgaben enthalten, dass die neue Siedlung am Hang liegen und dass die Talsohle unbedingt frei bleiben sollte, damit sie als Luftschleuse für die Wiesbadener Innenstadt erhalten blieb. Der bekannte und heute nicht unumstrittene Städteplaner Ernst May entwarf die Siedlung mit 4000 Wohneinheiten für

14.000 Menschen. „Klarenthal" war dabei zunächst nur ein Arbeitstitel, man dachte damals an „Bruderrode" oder „Wildereite".

1964, am 11. September, fand dann der erste Spatenstich statt. Bereits 1966 zogen die ersten Mieter ein. „Der Einzug gestaltete sich mehr oder weniger chaotisch. Jeder wollte möglichst schnell in seine Wohnung. Die Möbelwagen standen in einer langen Reihe und blockierten sich gegenseitig. Streit entstand, so dass schließlich sogar die Polizei einschreiten musste, um den Verkehr zu regeln und einigermaßen Ordnung zu schaffen. Eine Anschrift hatten die ersten glücklichen Einwohner von Klarenthal nicht. Wer sie erreichen wollte, der musste beispielsweise schreiben: „Straße E, Block 6, Haus 2."

Was sich in den folgenden 50 Jahren getan hat, wie sich die Bewohnerzusammensetzung verändert hat und welche sozialen Projekte entstanden sind, darüber möchte nun der Arbeitskreis in einer Broschüre

berichten, die bis zu den Kulturtagen 2014 fertig sein soll.

Schulen und soziale Arbeit, die Rolle des Volksbildungswerkes als wichtiger Moderator im Stadtteil, die Veränderungen in der Geschäftswelt und die unterschiedlichen Migrantenanteile im Stadtteil: All das soll in der Broschüre eine Rolle spielen.

Auch Vorträge wie den, den Dr. Rolf Faber bereits kürzlich im Stadtteilbistro hielt, wird es im Jubiläumsjahr geben. Wer noch alte Fotos aus Klarenthal hat, wird gebeten, sie dem Arbeitskreis zur Verfügung zu stellen. Natürlich sind auch weitere Mitstreiter noch willkommen.


Was der Arbeitskreis bereits geleistet hat, ist im „Virtuellen Stadtteilmuseum" auf der Seite http://www.museum-klarenthal.org/ schon zu sehen:

Da kann man eine ganze Weile stöbern, so viel haben die Heimatforscher schon zusammengetragen.

Quelle: Vorort Beilage "Wiesbadener Kurier - Wiesbadener Tagblatt" vom Donnerstag, 12. September 2013