GEGEN RECHTLOSIGKEIT UND UNMENSCHLICHKEIT UNTER DEM NATIONALSOZIALISMUS
Hermann Brill (1895-1959)
Der aus Thüringen stammende Hermann Brill schloss sich nach dem Ersten Weltkrieg der Sozialdemokratie an. In Thüringen erlebte er als Ministerialdirektor im Innenministerium die Angriffe von Links und Rechts auf die junge Republik. Von Sachsen aus wollten die Kommunisten unter Walter Ulbricht über Thüringen in das Ruhrgebiet hineinstoßen, während die Nazis von München aus über Thüringen Berlin erobern wollten. Sowohl gegen eine rote als auch gegen eine braune Diktatur setzt er sich zur Wehr. 1923 konnte er die Angriffe gegen die Republik abwehren. 10 Jahre später hatten die Nazis gewonnen. Sie vergaßen nicht, dass Hermann Brill gegen sie gekämpft hatte. 1939 verurteilte ihn der Volksgerichtshof zu 12 Jahren Zuchthaus wegen »Vorbereitung zum Hochverrat«. Mehr als 6 1/2 Jahre war Brill im Zuchthaus Brandenburg und im KZ Buchenwald inhaftiert. Selbst im KZ Buchenwald schloss er sich Widerstandskreisen an. Er war der einzige, der mit dem »Buchenwald-Manifest« konkrete Pläne für den Neuaufbau nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ hatte. Die Amerikaner setzten ihn 1945 als ersten Regierungschef in Thüringen ein. Doch unter russischer Besatzung musste er bald sein Amt verlassen. Nun waren es die Kommunisten unter Walter Ulbricht, die ihn verfolgten. Um der drohenden Verhaftung und lnhaftierung zu entgehen, floh Hermann Brill in den Westen. ln Wiesbaden übernahm er das Amt eines Staatssekretärs und Chefs der Staatskanzlei. 13 Jahre bis zu seinem Tode blieb nun Wiesbaden sein Wohnort und Hessen das Land, für das er sich einsetzte. Er starb hochgeehrt am 22. Juni 1959 in Wiesbaden.
Werner Hilpert (1897-1957)
Der aus Leipzig stammende Jurist Werner Hilpert hatte sich schon 1918 dem Zentrum angeschlossen und war seit 1932 Landesvorsitzender von Sachsen. Von 1939 bis 1945 hielten ihn die Nazis im KZ Buchenwald gefangen. Dort schmiedete er zusammen mit Hermann Brill und Eugen Kogon Pläne für die Zukunft eines von den Nazis befreiten Deutschlands. Nach der Befreiung durch die Amerikaner wurde er zunächst in Thüringen mit der Verwaltung des beschlagnahmten Nazi-Vermögens betraut. Vor der Übergabe des Landes an die Russen brachten ihn die Amerikaner in ihre Zone nach Frankfurt am Main. Hier wurde Hilpert Präsident der Industrie- und Handelskammer. Er gehörte zu den Gründern der CDU in Hessen und war in der hessischen Regierung tätig. Im Kabinett Geiler war er stellvertretender Ministerpräsident. Dieses Amt sowie das des Wirtschafts- und Finanzministers von Hessen erhielt er auch in der ersten frei gewählten Regierung Stock. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung gehörte er dem Deutschen Bundestag an. Seit 1953 war er Präsident der Bundesbahndirektion in Frankfurt/Main. Er starb 1957 in Oberursel.
Otto Witte (1884-1953)
Auch Otto Witte hatte sich durch sein politisches Engagement in der Weimarer Republik den Hass der Nazis zugezogen. Bereits seit 1904 war er in der SPD aktiv. 1912 kam er nach Wiesbaden, wo er als Arbeitersekretär tätig war. Seit 1920 engagierte er sich in der Kommunalpolitik. 1923 gründete er in Wiesbaden die Arbeiterwohlfahrt. Von 1925 bis 1933 gehörte er dem Reichstag an und stimmte mit der SPD-Fraktion gegen das Ermächtıgungsgesetz. Nach der sog. Machtergreifung wurde er unter Polızeıaufsıcht gestellt und schließlich 1937 aus Wıesbaden ausgewiesen. In Hamburg wurde er im August 1944 verhaftet und kam in ein KZ. Nach dem Krieg kehrte er nach Wıesbaden zurück und widmete sich dem Aufbau des Landes Hessen. Witte war der erste Präsident des Hessischen Landtags. Am 19. September 1953 starb er hochgeehrt.
Heinz Ranly (1892-1946)
Auch der Sozialdemokrat Heinz Ranly, der die SPD- Zeitung »Volksstimme« verantwortlich geleitet hatte, hatte sich durch seine Tätigkeit den Hass der Nazis zugezogen. Bereits 1933 hatte man ihn zum ersten Mal in Schutzhaft genommen. 1935 bis 1936 verbrachte er neun Monate im KZ Esterwegen und von 1942 bis 1945 sperrte ihn die Gestapo ins KZ Natzweiler. Auch Heinz Ranly stellte sich nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ sofort zur Verfügung. Er übernahm in Wiesbaden die städtische Betreuungsstelle für Verfolgte. Doch hatten die Nazis seine Gesundheit derart ruiniert, dass er bereits am 16. Dezember 1946 an den Folgen seiner KZ-Aufenthalte verstarb.
Eugen Dengel (1881-1950)
Der Sozialdemokrat Eugen Dengel war in der Zeit der Weimarer Republik Mitglied der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung. Damals hatte er das schwierige Amt des Stadtverordnetenvorstehers übernommen. ln den heißen kommunalpolitischen Schlachten zwischen Kommunisten auf der einen und Nazis auf der anderen Seite versuchte er, einen weitgehend ordnungsgemäßen Verlauf der Sitzungen zu gewährleisten. Nach der Machtübernahme durch die Nazis war er einige Zeit in Schutzhaft, wurde aber dann doch entlassen. Erst nach dem mißlungenen Attentat auf Hitler wurde er erneut verhaftet und ins KZ Dachau verbracht. Dort wurde er 1945 von den Amerikanern befreit. Sofort nach seiner Rückkehr stellte er sich dem demokratischen Wiederaufbau in Wiesbaden zur Verfügung. Unter dem ersten Oberbürgermeister Georg Krücke betreute er das Wohnungsamt. Dem ersten frei gewählten Magistrat von Wiesbaden gehörte er als hauptamtlicher Stadtrat an. 1948 schied er aus dem Amt. Er verstarb zwei Jahre später, am 7. Februar 1950.